Route des Grandes Alpes 2015
Anmerkung zum besseren Verständnis:
Col und Passo = Pass
Lac und Lago = See
Schnell wurde klar, dass eine aufwändige Routenplanung mit vorgebuchten Hotels, wie bei unserer Italien-Tour 2014, aus zeitlichen Gründen diesmal nicht möglich ist. In Anbetracht des bisher unbeständigen Wetters heuer, ist die Möglichkeit, die Route spontan je nach Wetterbericht wählen zu können, aber eventuell ein großer Vorteil. Einzige Vorbereitung waren Ausdrucke von Karten der französischen und italienischen Alpen, auf denen ich Streckenempfehlungen aus Foren und Büchern mit Leuchtmarker eingetragen habe.
Durch die Erfahrungen der letzten großen Tour ging das Packen schon deutlich zügiger. Ein bisschen Stress gab es nur, weil ich einen undichten Öltemperatursensor unbedingt noch in der Woche vorher in Ordnung bringen wollte.
4.6. – München – Moena
Donnerstag (Feiertag – Fronleichnam) in der Früh geht es los. Erst Mal in die Dolomiten zum „Eingewöhnen“.
Da durch den Brückentag verlängertes Wochenende ist, wählen wir einen Schleichweg nach Bad Tölz. Noch vor Kochel beginnt der Stau. Da drei!!! Tage später der G7-Gipfel in Elmau beginnt, lässt uns die Polizei hinter Walchensee nicht mal bis Wallgau (20 km vor Elmau), so dass wir im zäh fließenden Verkehr über Jachenau zum Achenpass müssen und übers Inntal wieder zurück. Die Außentemperatur ist bei den niedrigen Geschwindigkeiten unerträglich und die Haut rötet sich bereits trotz Sunblocker.
Ein kurzes Stück fahre ich hinter einer neuen, blauen Elise S2 mit Münchner Kennzeichen her. Zuerst scheint es so, als hätte er uns nicht bemerkt. Als er aber einen anderen Weg fährt, winkt er kurz. Rechts ran fahren und Hallo sagen, wollte er leider nicht.
Der Plan bleibt, endlich mal das Timmelsjoch zu fahren. Zweiter Fehler an diesem Tag. Zu viele Motorradfahrer, die einen, auch wenn sie nicht schnell fahren wollen, nicht überholen lassen.
Ab Meran wollte ich eigentlich eine Nebenstraße nach Bozen fahren, was wir aber wegen des Umwegs zum Achensee streichen und die Schnellstraße fahren. Das Stück darauf zwischen Blumau und Welschnofen ist das Highlight des Tages.
5.6. – Moena (Dolomitenrunde)
Nach den Erfahrungen vom Vortag wähle ich für heute eine Route über eher unbekannte südliche Dolomitenpässe, was sich als sehr gute Wahl erweist. Von Moena erst mal gemütlich Warmfahren nach Canazai. Dann aber nicht übers Pordoijoch, sondern den Passo di Fedáia mit seinem Stausee.
Es folgt der Passo di Falzarego mit herrlicher Aussicht und Traumwetter.
Der Passo di Giau ist sogar nochmal ein Stück besser.
Als wir nach dem Mittagessen in Selva di Cadore gerade ins Auto steigen wollen, sehen wir ein Stück weiter zwei Schweizer (wenn ich das richtig erkannt habe) Lotus mit zwei Speedstern auf dem Weg zum Giau.
Zurück nach Moena führt die Route über den Passo Duran, Forcella Franche, Forcella Aurine, Passo di San Pellegrino.
An späten Nachmittag machen wir dann noch ein kleine Wanderung von Moena nach Soraga und zurück.
6.6. – Moena – Sulzano
Um uns langsam Richtung Frankreich zu bewegen, beschließen wir diese Tagesetappe zum Iseosee zu fahren. Den Gardasee meiden wir lieber wegen des verlängerten Wochenendes und dem Ende der Ferienzeit. Zuerst geht es an Cavalese vorbei zum Passo Manghen.
Danach an Levico Terme vorbei und eine kleine Schleife mit Passo Coe und Passo di Valbona. Nett zu fahren, aber leider keine Bilder. Oberhalb von Roverto fahren wir über Nebenstraßen nach Riva del Garda. Am Passo Bordala machen wir Pause zum Mittagessen. Am Gardasee ist, wie erwartet, die Hölle los. In brütender Hitze quälen wir uns durch den Stadtverkehr, bis es ab dem Ledrosee wieder zügiger geht und interessanter wird. Ein junger italienischer Motorradfahrer raubt mir den letzten Nerv. In Serpentinen und Kurven bremst er extrem herunter und auf der Geraden beschleunigt er gerade so viel, dass ich nicht überholen kann. In Serpentinen bremst er mich so aus, dass ich nicht mal im Ersten fahren kann, stehen bleiben und neu anfahren muss.
Hinter dem Idrosee nach Bagolino geht es über die sehr schöne, aber für meinen Geschmack zu schmale Straße, zum Passo del Maniva. Ein paar Wolken und Wind sorgen für etwas Abkühlung.
In Sulzano am Iseosee verbringen wir die Nach mit Blick auf Monte Isola. Wir schlafen bei offenem Fenster und ohne Zudecke. Das kenne ich sonst nur aus den Tropen.
7.6. – Sulzano – Alba
Die Idee ist, heute entlang der Seen am Alpenrand Richtung Piemont zu fahren. Anfangs den kleinen Passo di Zambla. Aber danach erwische ich irgendwie ständig die falschen Straßen. Jeder Versuch, die Strecke zu ändern, macht die Sache noch schlimmer. In brütender Hitze fahren wir durch Industriegebiete und wenig attraktive Dörfer. Bei Varese gebe ich auf und fahre auf die Autobahn. Nach kurzer Zeit sind rechts und links der Autobahn Hügel und Wälder. Hier muss es doch schöne Straßen geben. Also wieder runter von der Autobahn und Schwupps, sind die Hügel verschwunden – wieder auf schnurgeraden Straßen von Dorf zu Dorf. Helga findet mit der Karte dann noch zwei nette kurvige Umwege, aber das bessert die Laue an dem Tag auch nicht mehr. Heute gibt es auch keine Fotos.
Erst als wir unser großes Zimmer auf einem Weingut nahe Alba beziehen und das außergewöhnliche Abendessen im mit Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant des Weinguts und einem Barolo von 2008 genießen, steigt die Stimmung wieder. Das Abendessen reißt zwar ein kleines Loch in die Urlaubskasse, aber das Erlebnis ist es wert. Alleine die 2 cm dicke Weinliste mit über 1000 Weinen muss man gesehen haben.
8.6. – Alba – Cucchiales (Murmeltiertag)
Auf die heutige Tour freue ich mich schon lange. Auf dem Plan steht das Valle Varáia mit dem Colle dell’ Agnello und das Valle Máira.
Wir fahren von Alba direkt nach Westen nach Saluzzo. Der Reiseführer meint: “Das auf dem Hügel thronende Städtchen müssen Sie unbedingt besuchen”. Auf der Suche nach einem Parkplatz fahren wir eine Zeitlang durch Saluzzo, das nicht auf einem Hügel thront und entscheiden, dass wir es auch nicht unbedingt besuchen müssen und fahren weiter nach Costigliole di Saluzzo. Am Ortseingang weist ein braunes Schild auf ein “Castello”, also ein Schloss oder eine Burg, hin. Wir halten und laufen ein Stück zum Castello hoch. Danach geht es weiter Richtung Agnello.
Das Valle Varáia wird zunehmend schöner und die Landschaft allmählich hochalpin.
Der Himmel Richtung Westen ist schwarz vom aufziehenden Gewitter. In einer halben Stunde begegnen uns nur ein oder zwei Autos und vor mir ist freie Fahrt Richtung Serpentinen. Was für eine Stimmung.
Auf halber Strecke zum Colle dell’Agnello plötzlich große Aufregung – ein Murmeltier! Ganz nah. Unser erstes Murmeltier. Kurz darauf alles voller Murmeltiere. Überall pfeift es und überall sieht man sie. Fotos – happy – was für ein Erlebnis. Ein paar Meter weiter springt dann ein Murmeltier ein paar Meter vor dem Auto über die Straße. Ich verfehle es nur um Haaresbreite. Glück gehabt, dass ich gute Bremsen habe. Mit der Zeit springen immer mehr von diesen blöden Viechern knapp vor mir über die Straße. Eines habe ich sogar mit der Actioncam gefilmt.
Die Passhöhe erreichen wir noch im Trockenen, aber auf der französischen Seite regnet es schon und Blitz und Donner kommen schnell näher. Wir können gerade noch ein paar Fotos schießen, bevor der Regen losgeht.
Wir fahren die italienische Seite zurück, aber die Idee vor dem Regen zu flüchten, scheitert an den Serpentinen. Irgendwann müssen wir kapitulieren und in Rekordzeit das Dach montieren. Inzwischen geht das zu zweit schon extrem flott; länger als 20 Sekunden hat es diesmal garantiert nicht gedauert.
Ein kurzes Stück weiter dann der große Schrecken: eine riesige Schneewehe ist abgebrochen und die Straße über die ganze Breite eine halben Meter hoch mit Schnee versperrt. Im strömenden Regen will ich da jetzt weder stehen bleiben, bis das geschmolzen ist, noch per Hand schaufeln. Also sanft mit der Elise dagegen und gehofft, dass keine Steinbrocken dabei sind. Bis auf ein verbogenes Nummernschild geht alles gut und im Valle Varáita können wir dem Regen dann doch einigermaßen davonfahren.
Über den Colle di Sampeyre geht es ins benachbarte Valle Máira.
Kurz nach der Passhöhe stottert der Motor. Hatte ich schon öfters, dass sich das Motorsteuergerät bei dünner Luft verschluckt und neu gestartet werden muss. Aber diesmal hilft das nichts. Vielleicht irgendwas zu heiß geworden?
Nach ein bisschen Warten probiere ich erneut den Motor zu starten, als es mir plötzlich mit Schrecken klar wird: die Benzinpumpe läuft nicht mehr. Ich kontrolliere die Sicherung und alle Steckverbindungen, an die ich mit dem bisschen Werkzeug, das ich dabei habe, hinkomme. Alles normal, scheint die Pumpe selbst zu sein. Ohne Sprit kein Ritt. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als den HUK-Pannendienst anzurufen. Nach ein paar Minuten in der Warteschleife nimmt man den Fall endlich auf und sagt mir, dass sich jemand vom italienischen Partnerservice melden wird. 20 Minuten später ruft endlich einer an, der das Gespräch mit den Worten beginnt „Die GPS-Koordinaten können nicht stimmen, das ist ja mitten in den Bergen…“. Doch, genau da sind wir. Er verspricht einen Abschlepper zu schicken und warnt uns schon mal vor, dass das etwas dauern wird. Nach zwei Stunden untätigem Rumsitzen wird uns langweilig und wir beschließen zu schauen, wie weit wir den Berg runterollen können, in der Hoffnung auf Zivilisation zu treffen. Ein paar kleine Steigungen zwischendurch schaffen wir noch hochzuschieben, aber irgendwann geht es ein kurzes Stück so steil, dass wir kapitulieren müssen. Aber immerhin sind 50 Meter weiter ein paar Häuser. Einen älteren Herrn frage ich um Hilfe. Von ihm erfahre ich, dass der nächste ACI (italienische Version des ADAC) und eine große Werkstatt 30 km weiter in Dronero sind. Er ruft sogar die Werkstatt an und erklärt mir, dass die spätestens in einer halben Stunde mit einem Schlepper da sein könnten. Also rufe ich wieder bei der HUK an und erfahre, dass mein Abschlepper auch schon in der Nähe ist. Als er dann endlich da ist, versuche ich ihm klar zu machen, dass ich nur nach Dronero und nicht nach Turin will, aber plötzlich reicht mein Italienisch nicht mehr, um mich verständlich zu machen. Wir müssen in die Elise während wir abgeschleppt werden, da angeblich kein Platz in der Fahrerkabine ist (siehe Foto unten). Die Strecke durch das Valle Máira ist traumhaft. Doppelt ärgerlich, dass wir das Stück jetzt auf diese Weise fahren müssen.
An der Werkstatt in Dronero fährt er ohne anzuhalten vorbei Richtung Turin. Praktisch, wenn die Passagiere auf der Ladefläche sind und sich nicht beschweren können.Ich rufe wieder bei der HUK an und sage, dass wir gerade entführt werden. Kurz darauf der Rückruf: „Per Gesetz darf der Abschlepper uns nicht an einer Werkstatt außerhalb deren Öffnungszeiten abladen und bringt uns jetzt zur Verwahrstelle nach Turin.“ Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass die Fahrt nach Dronero auffällig langsam war und wir an der Werkstatt (die um 20:00 Uhr schließt) um 20:05 Uhr vorbeigekommen sind.
Irgendwann nach zehn Uhr sind wir endlich in Turin und es gibt nochmal großen Ärger, als ich mich weigere, dem Abschleppunternehmen meine Autoschlüssel über Nacht zu geben. Man bringt uns auf Kosten der Versicherung in einem Hotel (Residenz) für Fiat-Leiharbeiter unter. Ohne Abendessen und Hoffnung den Urlaub fortsetzten zu können, verbringen wir eine unruhig Nacht.
9.6. – Turin
Um Punkt 9:00 Uhr bin ich an der Werkstatt des Pannendiensts, um herauszufinden, wie es weitergeht. Der Der Vormittag verläuft mit öden Rumsitzen und Warten. Testen, ob es überhaupt die Benzinpumpe oder die Verkabelung ist, will man nicht. Um 16:00 Uhr verkündet mir die Werkstatt, es gibt eine Pumpe in Rom, die kostet 700 Euro plus 300 Euro Expressversand. Ich grüble, ob ich die Pumpe nehmen soll (die unter normalen Umständen 350 Euro kostet) oder was die anderen Optionen sind und irgendwie lässt mich der GEdanke nicht los, was, wenn es doch die Verkabelung ist? Ich sage, ich bestelle die Pumpe nur, wenn sie vorher prüfen lassen, ob die Verkabelung o.k. ist. Kein Problem, das können wir messen, meint der Herr von der Werkstatt. Warum ist da nicht früher jemand drauf gekommen? Man bringt das Auto aus der Verwahrstelle in die Werkstatt und Gigi, der junge Mechaniker lässt seine Arbeit augenblicklich stehen und liegen und macht sich sofort ans Messen. Nach wenigen Minuten ist klar, es kommt keine Spannung an der Pumpe an. Der einzige Stecker, den ich noch nicht kontrolliert habe, ist der Brückenstecker der Wegfahrsperre. Als wir den Stecker freigelegt haben, ist sofort klar, das ist der Übeltäter – komplett verschmort. Gigi frägt, wo wir jetzt so einen Stecker herbekommen und ich nehme einfach den Seitenscheider, zwicke die Kabel vor dem Stecker ab und verdrille sie; Pumpe läuft wieder. Gigi kramt noch aus dem hintersten Eck der Werkstatt einen Lötkolben hervor. Kabel verlötet, Isolierband drum und Probefahrt gemacht; hauptsächlich als Dankeschön für Gigi, der in der Elise grinst wie ein Honigkuchenpferd.
Da es inzwischen schon sieben Uhr ist und wir sicherheitshalber am Nachmittag schon ein Hotel in der Nähe der Werkstatt gebucht haben, bleiben wir die Nacht in Turin.
Das Auto läuft zwar wieder, aber so ganz sicher, ob die Benzinpumpe nicht doch einen Defekt hat und dadurch erst der Stecker kaputtgegangen ist, bin ich mir nicht. Weiterfahren und riskieren, nochmal irgendwo auf einem Pass zu stranden oder doch lieber auf direktem Weg nach Hause? Ich schreibe einen Beitrag ins Elisecommuniy-Forum und nach kurzer Zeit habe ich zahlreiche Antworten mit dem Tenor: „Ist ein bekanntes Problem. Der Stecker ist bei mir auch schon durchgeschmort, der ist einfach unterdimensioniert. An der Pumpe liegt das nicht.“ Auf der einen Seite bin ich jetzt zwar beruhigt, dass der Urlaub weitergehen kann, auf der anderen Seite nervt es mich tierisch, dass ich mich seit über drei Jahren mit den Problemstellen der Elise beschäftige und mir noch keiner vorher gesagt hat, dass der Stecker Probleme machen kann, dann hätte ich ihn nämlich schon längst ersetzt.
Nachtrag: Durch Zufall habe ich später erfahren, dass es am 9. Juni in der Nähe der Verdonschlucht ein schweres Unwetter mit 2 cm großen Hagelkörnern gab. Ohne die Panne wären wir nach ursprünglichen Plan genau zu der Zeit dort gewesen. So etwas nennt mal wohl Glück im Unglück.
10.6. – Turin – Castellane
Um den verlorenen Tag in Turin aufzuholen, fahren wir direkt Richtung Haute-Provence. Zuerst bis Cuneo auf der Autobahn, um zum einen Zeit aufzuholen und zum anderen, weil Abschleppen bei Pannen in Italien auf der Autobahn kostenlos ist (durch die Mautgebühr abgedeckt; zumindest war es das 1993 so, als ich mal eine Panne auf der Autobahn hatte). So ganz traue ich der Elise noch nicht.
In einer Waschbox putzen wir die Elise gemeinsam, vor allem weil ich Vorgestern über Kuhfladen fahren musste und nicht will, dass das wieder wie beim letzten Mal festbäckt. Zum anderen hat das auch psychologische Gründe. Viele Menschen waschen sich ja auch die Hände, nachdem sie im Krankenhaus oder beim Arzt waren;-)
Mittagspause machen wir bei Tetto Chappello in einen großen Schokoladeladen mit Bar und nehmen ein bisschen gute Venchi Schokolade mit; aber nur die ganz kleinen Täfelchen. Zum einen haben wir wirklich nicht mehr viel Platz, zum anderen wird bei dem Wetter eh nur flüssige heiße Schokolade daraus. Ein paar Nachteile hat Urlaub mir der Elise schon. Über die Napoleon-Passstraße und den Colle di Tenda geht es nach Frankreich. Der Pass oberhalb des Tunnels mit 46 Kehren muss der Hammer sein, ist aber leider nicht asphaltiert.
Bei Sospel sehen wir zum ersten Mal den lang ersehnten braunen Wegweiser mit den magischen Worten „Route des Grandes Alpes“
Nach dem den Col de Turini und dem Col de la Couillole verlassen wir die Route des Grandes Alpes wieder und fahren durch das Tinéetal, den Col de la Couillole und die Ciansschlucht Richtung Verdonschlucht.
Vor Entrevaux finden wir eine günstige Tankstelle. Wie war das mit E10 in Frankreich – sicherheitshalber lieber Super Plus tanken. Die Dame von der Tankstelle ist superfreundlich und ich merke, dass mein Französisch komplett eingerostet ist und Großteils durch Italienisch überschrieben wurde.
Über den Col de Toutes Aures geht es zum Lac de Castillion. Er lädt zum Fotografieren ein und Helga hätte gerne mehr Fotostopps, aber mir reicht es für heute und ich will nur noch zum Hotel; zu wenig Schlaf die letzten Tage.
In Castellane quartieren wir uns auf Michael Heyers Empfehlung im Hotel du Commerce ein, was sich als guter Tipp erweist. Die heißen Tage bisher haben unseren Vorrat an sauberer Kleidung drastisch reduziert. Ich frage, ob das Hotel einen Wäscheservice anbietet. Ja, ist die Antwort, aber das kostet leider 15 €. Pro Kleidungsstück, frage ich etwas verunsichert wegen des Preises. Nein, pro Wäschekorb natürlich.
Auf Empfehlung des Hotels gehen wir zum Abendessen ins Ô Délices. In einem winzigen Einzimmer-Lokal, wo die Küche nur durch einen Tresen abgetrennt ist, kocht Linda traditionell provenzalisch. Allein schon das Ratatouille ist spektakulär, ganz zu schweigen von der Mousse au Chocolat mit einer Priese Fleur de Sel. Mit vollem Bauch schlendern wir durch Castellane, genießen den Ausblick auf Notre Dame du Roc, eine Kirche, die auf einem hohen Felsen über der Stadt thront, und entdecken, dass der Verdauungsschnaps in der Region Génépi heißt und nach Saunaaufguss riecht.
11.6. – Castellane (Verdonschlucht zu Fuß)
Da der Wetterbericht für heute stabil schön vorhersagt und ab morgen Gewitter kommen sollen, beschließen wir, das gute Wetter zu nutzen und durch die Verdonschlucht zu wandern. Unser Reiseführer und ein Motorradfahrer aus Landshut, den wir beim Abendessen getroffen haben und der schon öfters hier war, empfehlen die Wanderung vom Point Sublime nach Chalet de la Maline. Wir wollen aber nicht die ganze Strecke von 13 km gehen, die mit 7 Stunden Gehzeit angegeben ist und uns zu weit ist, sondern nur so weit, wie wir Lust haben, und dann umzudrehen. Im Nachhinein stellen wir fest, dass wir schon deutlich über der Hälfte waren und dadurch weit mehr als die 13 km gelaufen sind.
Nach der Wanderung lädt der Hotelschwimmingpool ein. Verdammt, ist das Wasser kalt. Kann mich nicht erinnern, schon mal ohne Sauna vorher in so kaltem Wasser geschwommen zu sein.
12.6. – Castellane (Verdonschlucht mit dem Auto)
Nachts hat es geregnet, aber langsam klärt es auf und die Straßen trocken ab.
Heute wollen wir die bekannte Runde um die Veronschlucht. Zuerst über die südliche Panoramastraße mit Mittagessen auf der Panoramaterrasse direkt an der Schlucht. Dann um den Lac de Sainte-Croix, nach Moustiers Sainte Marie und mit der Schleife um den Collet Barris zurück nach Castellane. Die Bilder sprechen für sich, glaube ich.
Nach dem Abendessen regnet es heftig.
13.6. – Castellane – Embrun (Daluisschlucht und Col del la Bonette)
Bis wir gefrühstückt und gepackt haben, sind das Auto und die Straßen schon wieder trocken und wir können ohne Verdeck zum Lac de Castillon.
Durch die Daluisschlucht geht es kuvenreich nach Beuil.
In Beuil setzen wir uns an einer Serpentine vor eine Bar und essen zu Mittag. Plötzlich knattert es laut, aber es kommt keine Harley, sondern ein alter Bugatti. Während unserer Mittagspause fahren über 50 alte Bugattis durch die Serpentine an uns vorbei. “Millie Miglia”-Felling – was für ein wahnsinns Timing! Manchmal muss man einfach Glück haben.
Kurz nach der unvergesslichen Mittagspause wartet aber schon das nächste Erlebnis. Der Col de la Bonette. Er gilt als der höchste mit dem Auto befahrbare Pass Europas. Eine Ringstraße um den Gipfel führt auf 2802 Meter. Scheinbar endlos schlängelt sich die Straße mit grandiosem Ausblick höher und höher. Auf den letzten Metern geht der Elise spürbar die Puste aus, aber tapfer sprintet sie nach oben. Wir ziehen uns alle greifbaren Pullis und Jacken über, da ein kräftiger eiskalter Wind bläst, und laufen die paar Meter bis zum Gipfel. Gerade als wir oben sind, beginnt es zu regnen. Hat der französische Wettergott etwas gegen uns?
Trotz des nicht gerade idealen Wetters ist alleine dieser Pass schon die weite Reise wert.
Zum Glück hört der Regen nach ein paar Kilometern wieder auf.
Ein Stück weiter gibt Helga das Signal zum Fotostopp. Ich bleibe einfach auf der Fahrbahn stehen. Bei dem wenigen Verkehr stört das niemand. Helga steigt aus zum Fotografieren und schreit plötzlich euphorisch: “Ein Lotus!”. Respekt, geschultes Auge; der blaue Exige ist noch über 500 m weit weg. Als er näher kommt, Fernlicht und freudiges Winken. Das französische Pärchen ist völlig von den Socken endlich mal einen anderen Lotus getroffen zu haben. Nach Smalltalk und den besten Wünschen für die Weiterfahrt fahren sie mit unüberhörbarerer Lautstärke weiter Richtung Pass und wir ins Tal.
Heute wollten wir eigentlich nur eine kurze Etappe fahren, in Barcelonette übernachten und die Stadt anschauen. Per Handy hat Helga schon ein Hotel ausgewählt. Als wir aber dort einchecken wollen, erklärt man uns, dass geschlossen ist, da der Boiler für Warmwasser defekt ist. Da die anderen Hotels nicht so einladend sind, fahren wir weiter nach Embrun, was auch den Vorteil hat, dass die Fahrt entlang des Lac de Serre-Poncon reizvoll ist. Wir übernachten in einem erst vor wenigen Jahren zum Hotel umgebauten Schlösschen und genießen wieder einmal ein vorzügliches, aber leider auch teures Abendessen.
14.6. – Embrun (Clues de Barles)
Als wir morgens aufstehen, gießt es in Strömen. Jetzt zahlt es sich aus, dass unser Schloss-Hotel ein kleines Hallenbad und eine Dampfsauna hat. Wir verlängern den Aufenthalt um eine Nacht und verbringen den Vormittag mit Wellness und lesen und gehen Mittags mit Schirmen bewaffnet in die Altstadt von Embrun zum Essen. Nach dem Essen klart es auf und wir beschließen über den Col du Fanget in die Barlesschlucht zu fahren. Die Barlesschlucht dürfen wir noch genießen, dann fängt es wieder zu regnen an. Teilweise in Starkregen geht es über den Col du Labouret anstrengend zurück nach Embrun.
15.6. – Embrun – Briancon (Col de Vars und Col d’Izoard)
Das Wetter hat sich wieder deutlich verbessert und wir fahren nochmal die schöne Strecke am See nach Barcelonette und zurück zur Route des Grandes Alpes.
Der Col de Vars ist eher unscheinbar, lässt sich aber entspannt “schwingend” fahren – erinnert mich irgendwie an Skifahren.
Nach dem Col de Vars folgt die Guilschlucht mit schönem Ausblick.
In Arvieux vor dem Col d’Izoard beginnt es zu Tröpfeln. In der Hoffnung, dass es bald wieder aufhört, machen wir Mittagspause. In einem Geschäft für lokale Spezialitäten kaufen wir Brot und Bresaola und essen genüsslich an einer Bushaltestelle, die auch als Dorfplatz dient. Die Radler auf dem Weg zu Col werfen uns neidische Blicke zu. Ein Pärchen haut die Bremse rein und folgt unserem Beispiel.
Der Col d’Izoard ist zu Recht berühmt. Was für eine Passstraße und vor allem was für eine Landschaft!
Bei einem Fotostopp auf der Abfahrt kommt uns ein einzelner Radfahrer mit eigenem Begleitfahrzeug entgegen. O.k., an Radfahrer habe wir uns schon gewöhnt, aber bei den meisten gilt, je teurer das Rad desto langsamer. Doch der Kerl ist nur Haut und Knochen, hat gerade 1000 Höhenmeter hinter sich und schießt mit einer Geschwindigkeit nach oben, bei der ich nicht mal in der Ebene länger als fünf Minuten mithalten könnte. Da trainiert offensichtlich ein Profi für die Tour de France – beeindruckend.
Obwohl es noch ganz früh am Nachmittag ist, checken wir in Briançon in ein Hotel ein und laufen in die Altstadt, die hochgelegen auf einem Felsen ist. Briançon ist ein sehr schönes Städtchen, hat aber fast nur Restaurants und Souvenirläden und wirkt irgendwie leblos. An der Stadtmauer sehen wir, dass zu Füßen der Stadt ein großer Park ist und gehen einen schönen Wanderweg zum Park. Im Park setzten wir uns auf eine Bank mit den E-Books umgeben von Müttern mit spielen Kindern und Jugendlichen die bolzen und slacklinen. Was im täglichen Leben als Lärm bezeichnet wird, bildet hier eine herrlich lebendige Geräuschkulisse. “l’art de vivre” – so lässt es sich leben.
Abends essen wir im Toc-Toque. Der Chef begrüßt uns persönlich. Obwohl die Preise überraschend günstig sind, fragen wir, ob wir uns ein Essen teilen dürfen – jeden Abend üppig essen und kein Sport – nicht dass die Klamotten sonst zu eng werden. In Italien ist es inzwischen ganz normal sich eine Portion zu teilen, zum einen durch die Wirtschaftskrise, zum anderen wegen der “bella Figura”. Hier ist sich ein Essen teilen wohl nicht üblich, weil die Bedienung zuerst beim Chef fragen muss, ob das geht. Noch verwirrter ist sie, als ich eine Falsche relativ teuren Wein dazu bestelle. Später wird klar, unsere Idee Kalorien zu reduzieren hat man nicht verstanden und denkt wohl, wir können uns nicht mehr leisten. Die Vorspeise ist jedenfalls zweimal eine volle Portion und beim Hauptgericht ist lediglich das Fleisch geteilt und die Beilagen sind auch zweimal die normale Portion. Während des Essens kommt der Chef, immer wenn es seine Zeit erlaubt, zu den Gästen für ein Schwätzen. Mein Französisch reicht gerade, um ihm zu erzählen, wie lange wir Urlaub machen und dass wir aus München sind. Als er die Mousse au Chocolat bringt (natürlich zwei Portionen obwohl ich nur eine bestellt habe) und ich auf meinen Bauchspeck deute, meint er nur trocken “Spielst Du für Bayern oder was?” Was für ein sympathischer Kerl. Wer zufällig mal nach Briançon kommt und gutes Essen sucht: Toc-Toque in der Rue Pasteur 3 (das Gebäude nennt sich Le Petite Fabrique).
16.6. – Briançon – Valloire (Col de la Croix de Fer und L’Alpe d’Huez)
Als ich die Route für den Tag planen will (eine Runde über Galibier, Glandon, Croix du Fer, L’Alpe d’Huez und zuück nach Briançon), weigert sich das Navi von Mizoën nach La Grave zu fahren. Eine Rückfrage bei der Hotelrezeption bestätigt, die Straße ist gesperrt. Weil ich diese Runde aber keinesfalls auslassen will, beschließen wir trotzedem nach L’Alpe d’Huez zu fahren, obwohl wir dann den selben Weg großteils wieder zurück müssen.
Über den Col de Lautaret fahren wir zum Col de Galibier.
Da wir am Rückweg den Col de Galibier nochmal fahren werden, beschließen wir, den Tunnel unter dem Gipfel zu nehmen und nicht bis zum Gipfel hochzufahren, der komplett in den Wolken ist.
Über den Col du Télégraph fahren wir zum Col de la Croix de Fer.
In der Crêperie les Favets in Le Rivier d’Allemont essen wir excellente Gallettes (Buchweizenpfannkuchen).
Über Sardonne und Villard-Reculas kommen wir nach L’Alpe d’Huez. Der Flugplatz von L’Alpe d’Huez ist ein beliebtes Motiv für Luftbilder bei den Fernsehübertragungen der Tour de France. Diesen Flugplatz mit seiner sprungschanzenartigen Startbahn wollte ich schon lange mal sehen. Doch gerade als wir am Parkplatz ankommen, fängt es zu regnen an. Schon wieder! Im Regen macht es auch keinen Sinn, dass wir weiter zum Col de Sarenne oder die Panoramastraße nach Auris fahren. Also nehmen wir den schnellsten Weg zum Col de Glandon. Der Regen hört zwar zeitweise auf, aber die Straßen sind nass und die Wolken dicht und tief. Als es dann wieder stark zu regnen beginnt, beschließen wir in Valloire, also direkt am Fuß des Galibier, zu bleiben, in der Hoffnung, dass es, wie in den letzten Tagen, am nächsten Morgen vormittags einen strahlend blauen Himmel gibt, wenn wir über den Galibier fahren.
17.6. – Valloire – Megève (Col du Galibier und Col de l’Iseran)
Leider lässt uns das Wetter gerade heute im Stich. Es ist zwar trocken, aber der Galibier ist wieder in den Wolken. Wir fahren diesmal trotzdem zum Gipfel hoch, wo sich wenigstens zur Südseite ein paar Wolkenlöcher auftun und einen Einblick geben, was man hier bei schönen Wetter geboten bekommt. Allmählich klart es Richtung Süden sogar richtig auf.
Nach Briançon fahren wir Richtung Osten über den Col de Montgenèvre nach Italien und durch das Tal der Dora zurück nach Frankreich zum Lac du Mont Cenis. Eingentlich wollten wir am Lac du Mont Cenis übernachten, aber jetzt ist es gerade mal Mittag und nach der Mittagspause entscheiden wir, mindestens noch den Iseran zu fahren und dann zu schauen, wo wir über Nacht bleiben.
Am Col de l’Iseran schaue ich in der Karte, wie es jetzt weitergeht und sehe ein kurzes Stück vor uns Kurvenspaghetti Richtung Osten. Nach Italien wollen wir heute eigentlich nicht mehr, aber die Straße muss sein. Col de Petit Saint-Bernard heißt sie, wie sich herausstellt.
An der Grenze drehen wir um und fahren zurück Richtung Bourg-Saint-Maurice, um uns dort ein Hotel zu suchen. In Bourg-Saint-Maurice ist nach einer Kreuzung zwei Autos vor uns ein grauer Lotus Exige. Sofort fährt der Fahrer rechts ran und begrüßt uns freundlich. David heißt er und ist aus Albertville, ganz in der Nähe. Ich frage ihn, ob er uns einen Tipp für ein Hotel geben kann. Er empfiehlt uns Megève, wo es viele gute Hotels gibt, und wenn wir wollen, können wir ja ein Stück dahin zusammen fahren. Ich bin etwas skeptisch. Ich habe jetzt schon sieben Stunden Passfahren hinter mir und er einen Exige S mit doppelt so viel PS. Ich schlage vor, wir können es ja versuchen, aber wenn ich zu langsam bin, braucht er nicht auf uns zu warten.
Angenehm ist schon mal, dass er sich, im Gegensatz zu der Mehrzahl der Franzosen, einigermaßen ans Tempolimit hält. Zu Beginn geht es eine relativ enge Straße mit vielen Serpentinen durch einen Wald. Das Navi kommt nicht mehr mit, so dass ich nicht weiß, was nach einer Kurve auf mich lauert und vorsichtig fahren muss. David, der die Strecke kennt, ist nach kurzer Zeit auf und davon. Etwas später kann er entweder nicht überholen oder hat doch auf uns gewartet, so dass ich wieder aufschließen kann. Als wir die Baumgrenze erreichen und die Straße schön einsehbar wird, scheuche ich die arme Elise wie noch nie zuvor und merke, was für ein Potenzial in dem Auto steckt, wenn Reifen und Bremsen richtig warm sind. Auch David gibt immer mehr Gas und hat auf der Graden natürlich deutlich mehr Beschleunigung. Zunehmend hört man seinen Kompressor pfeifen. Der Asphalt ist sehr griffig, aber auch extrem unebenen. Mit seinem straffen Fahrwerk hat David in den Kurven deutlich mehr zu kämpfen und seine Reifen geben öfters ein deutliches Quietschen von sich, während meine Elise sprichwörtlich am Boden klebt. Wir laufen auf eine Gruppe von drei Motoradfahrern aus Passau auf und David überholt sie gnadenlos, obwohl sie sich nach besten Kräften wehren. Mich lassen sie dann freiwillig vorbei.
Als wir die Passhöhe des Cormet de Roselend erreichen und stoppen, schaue ich vorsichtig nach rechts. Ich fürchte ein großes Donnerwetter von Helga, der die Fahrt mit Sicherheit zu wild war. Aber sie grinst mich an und meint nur “Gut gefahren. Was für ein Spaß.” Puh, mir fällt ein Stein vom Herzen. Auch David ist sichtlich beeindruckt und meint: “Good Car!” Die Motorradfahrer aus Passau schauen nur skeptisch, was ihnen da gerade “widerfahren” ist.
Bei der Passabfahrt sind ein paar Stellen mit frischem Rollsplitt und David wirft mit seinen Semi-Slick-Reifen Steinchen nach mir. Um meine Front zu schützen, halte ich Abstand, was David damit deutet, dass ich langsamer fahren will. Erst als Kurven kommen und ich nicht mehr in der Schußline bin und Gas geben kann, zieht das Tempo wieder Richtung konstant 90 km/h an.
Bei Beaufort fährt David mit freudigem Winken nach Hause Richtung Albertville und wir über den Col des Saisies nach Megève. Helga hat über Booking.com eine noble Ferienwohnung inklusive Tiefgarage für 86 Euro die Nacht organisiert, die in der Hochsaison 600 Euro kostet.
Zum Espresso nach dem Abendessen gibt es:
18.6. – Megève – Aosta
Von Megève fahren wir über den Col des Aravis zum Col de la Colombière.
Wir fahren einen Umweg über die kleinen Pässe Col de la Ramaz, Col de la Svolière und Col de l’Encrenaz, wo wir zur Mittagspause picknicken.
Der Col de Joux Plane ist leider gesperrt, so dass wir die Hauptstraße nach Taninges, Cluses und die Autobahn bis Chamonix-Mont-Blanc nehmen.
Wir reisen in die Schweiz ein und fahren über den Col de la Forclaz nach Martigny, um die Schweiz am Col du Grand Saint Bernard wieder zu verlassen nach Aosta in Italien.
Am späten Nachmittag und nochmal nach dem Abendessen besichtigen wir Aosta.
19.6. – Aosta – Intignano
Da ich mich im Aostatal nicht auskenne und nicht weiß, wo die schönen Strecken sind, nehmen wir schweren Herzens die Autobahn bis Ivrea, um genug Zeit zu haben, diesmal nördlich der großen Seen fahren zu können. Dadurch hoffen wir, die wenig reizvollen Strecken der Lombardei vermeiden zu können, die wir auf dem Hinweg gefahren sind. Das Stück von Biella nach Arona ist ein Glückstreffer. Die Westküste des Lago Maggiore ist ein Verkehrsnadelöhr mit entsprechender Fahrzeugdichte, aber wenigstens gibt es einen schönen Ausblick.
Bei San Bartolomeo überqueren wir die Schweizer Grenze und umfahren Locarno in einem langen Tunnel. In Lugano ist zähfließender Stadtverkehr. Ein aufgemotzter Audi drängelt mich in einer 30er-Zone so an, dass ich nicht mal mehr die Kante der Motorhaube im Rückspiegel sehe. Wenn ich nicht Angst hätte, die Geschwindigkeit auch nur ein klitzekleines Bisschen zu ändern, würde ich rechts ran fahren und den Affen vorbeilassen. Noch ein kurzes Stück auf der italienischen Seite des Lago di Lugano und zum Lago di Como. Die Nacht verbringen wir etwas oberhalb des Sees in einer Ferienwohnung in einer alten Villa.
20.6. – Intignano – Stelvio
Kurz nach der Abfahrt stehen wir erstmal 1,5 Stunden im Stau am Logo di Como wegen eines Unfalls. Obwohl es noch früh am Tag ist, grillt uns die Sonne ordentlich.
Nach Chiavenna fahren wir über den Passo Del Maloja in die Schweiz. Anschließend eine Schleife mit Julierpass und Albulapass. Das Wetter ist durchwachsen. Zwar regnet es nur in kurzen Abschnitten und die Straßen sind meist trocken, aber das trübe Wetter lässt keine guten Fotos zu.
Über den Berninapass geht es zurück nach Italien, wo das Wetter deutlich freundlicher ist.
Der Forcla di Livigno bringt uns zurück in die Schweiz. Livigno ist zollfreier Bezirk, wo das Benzin angenehm billig ist. Dafür kostet die Straße 15 Euro Maut.
In der Schweiz fahren wir noch den Ofenpass und anschließend den Umbrailpass. Ein Kollege von mir, der viel Motorrad fährt, ist der Meinung der Umbrail ist der schönste Pass überhaupt. Für die Elise ist er einen Tick zu schmal, die Serpentinen zu eng und der Fahrbahnbelag in viel zu schlechtem Zustand. Dennoch lohnt sich die Fahrt auf jeden Fall.
Nach dem Umbrail kommt man fast schon direkt am Passo dello Stelvio raus. Als wir mit kurzen Hosen und T-Shirt aussteigen, trifft uns der Kälteschock und an uns laufen Skifahrer mit Daunenklamotten vorbei, die uns anschauen, wie wenn wir von einem anderen Planeten wären. Wir verbringen die Nacht im Hotel Genziana, da die Franzenshöhe ausgebucht ist. Erst mal schnell aufs Zimmer und die Kleidung auf Winter umgestellt. Nachts schlafen wir beide relativ schlecht. Die Höhe von fast 2800 m macht sich bemerkbar.
21.6. – Stelvio – München
In der Früh muss ich die Elise erstmal von der festgefrorenen Abdeckung befreien. Außerdem ist das Türschloss der Fahrerseite zugefroren. Der Motor quält sich deutlich beim Starten, springt aber sofort an.
Auf der ganzen Abfahrt des Stelvio begegnen mir nur eine Handvoll Autos. Als ich bei der Franzenshöhe bin, der Motor langsam warm ist und hinter mir der menschenleere Pass ist, kann ich es mir nicht verkneifen umzudrehen und den Pass nochmal hochzufahren. Die Nordseite bin ich bisher nur runter gefahren.
Über den Reschenpass geht es nach Österreich. Trotz Regen fahren wir nach Samnaun, um ein bisschen zollfrei zu shoppen und tanken, müssen aber enttäuscht feststellen, dass sonntags Verkauf erst ab 13:00 Uhr ist.
In einer Kurve geht mir bei relativ niedriger Geschwindigkeit massiv das Heck weg. Noch vor ich zum Denken komme, habe ich schon reflexartig gegengelenkt. Puh, das war knapp. Viel Platz zur Leitplanke wäre nicht gewesen. Ich bin etwas irritiert. Bei nassen Straßen durfte ich ja leider in letzter Zeit häufiger fahren und da war immer Verlass auf die Performance meiner Reifen. Muss wohl Öl auf der Fahrbahn gewesen sein. Beim Tankstopp sehe ich, dass die Hinterreifen schon fast abgefahren sind. Kann doch gar nicht sein, die letzten haben 15000 km gehalten und die sind nach knapp über 7000 km schon so weit runter. Helga meint nur trocken: “Du fährst ja auch immer flotter.”
Im Verkehr hinter Wohnmobilen und Caravans fahren wir bis Haiming zum Oilers69, wo wir Mittagspause machen. Über Telfs, Seefeld, Scharnitz, Kesselberg kommen wir schließlich wieder zu Hause an.
Nachtrag:
Natürlich gibt es bei so einer Reise noch viele Dinge, die sich im Nachhinein nicht mehr bestimmten Situationen und Orten zuordnen lassen. Für den einen oder anderen, der diesen Bericht als Anregung nimmt, Teile der Routen nachzufahren, wollte ich deshalb Folgendes noch erwähnen.
Juni ist der früheste Zeitpunkt, zu dem eine Fahrt der Route de Grandes Alpes Sinn macht. Die meisten der hohen und besonders schönen Pässe öffnen erst Ende Mai. Das große Problem im Juni ist aber, dass dann die Straßenausbesserungen noch in vollem Gang sind. Neben vielen Baustellen mit Blockabfertigung sind es vor allem die endlosen Kilometer mit Fleckenteppichen aus frischem Rollsplitt, die extrem nerven. Wie der Lack an den Schwellern aussieht, habe ich mich noch gar nicht getraut zu schauen. Im Juli kann es schon extrem heiß werden, wie man mir berichtet hat, und August ist Ferientrubel. Bleibt also meiner Meinung nach September als optimaler Reisemonat, bevor die Pässe wieder schließen. Auf die üppigen Blumenwiesen muss man dann aber verzichten.
Des Weiteren ist mir aufgefallen, dass die Straßen in Frankreich gut gepflegt sind. An z. B. unerwartete Schlaglöcher (wie in Italien) kann ich mich nicht erinnern. Dafür sind die Straßen insgesamt, gerade die kleineren Pässe extrem uneben/buckelig. Auch vor Übergängen von Straßen zu Brücken sollte man sehr vorsichtig sein. Absätze mit mehreren Zentimetern Höhenunterschied sind häufig und man erkennt sie aus der Ferne erst sehr spät. Ein gutes Fahrwerk ist die Mindestvoraussetzung, dass man die Route de Grandes Alpes genießen kann.
Was auch nervt, dass jedes Dorf mindestens drei Zebrastreifen mit Bremsschwellen (Speedbumps) hat, über die man nur mit 30 km/h fahren darf. Sehr viele sind aber so heftig ausgeführt, dass ich da nur mit Schrittgeschwindigkeit drüber bin und schon mit Knirschen des Aluunterbodens gerechnet habe, sehr zum Leidwesen der Franzosen, die da mit teils über 50 km/h drüberbrettern. Außer dass einmal das vordere Nummernschild geschrammt hat, ist aber zum Glück nichts passiert (Fahrwerkshöhe 120/125 mm).
Dass man in manchen Gegenden, vor allem nach Gewittern oder Starkregen, mit Schlamm oder Felsbrocken auf der Straße rechnen muss (der größte, dem wir ausweichen mussten war fast einen Meter hoch) hat nichts mit Straßenbau zu tun, sondern liegt halt an der Natur und Geologie in diesen Regionen.
Statistik:
Gesamtstrecke: 4500 km
Höhenmeter: 110000 m
Durchschnittsverbrauch: 6,76 Liter pro 100 km
Pannen/Technische Probleme: 1