Pyrenäen 2017
Die große Elise-Tour heuer soll in die Pyrenäen gehen, eine Gegend, in der wir noch nie waren. Die Reisevorbereitungen sind daher schwieriger als gedacht. Eine Internetrecherche nach Reiseberichten im Vorfeld bringt wenig Ergebnisse. Nur von Wanderern und Motorradfahrern – überwiegend Enduro. Bei den klassischen Reiseführern ist die Auswahl auch eher mau. Also habe ich eine Karte in zweimal DIN-A3 ausgedruckt und mit Leuchtmarker berühmte Pässe der Tour de France, vielversprechende kurvenreiche Straßen und Empfehlungen aus der ADAC-Tourenkarte eingezeichnet. Damit geht‘s dann los.
15.06. – München – Clerval – Über den Schwarzwald in die „Autostadt“
Obwohl ich Autobahnfahrten mit der Elise hasse, lassen sie sich bei einer Anfahrt vom 1500 km nicht vermeiden, wenn man nicht zu viele Tage mit der An- und Abfahrt verlieren will. Daher erst mal über die A96 bis Memmingen, dann über Bundesstraßen nach Geisigen und damit der Tag nicht zu langweilig wird, ein bisschen kurvig durch den Schwarzwald. Weil Feiertag und Traumwetter ist, muss ich mir die Straßen mit jeder Menge zwei- und vierrädrigem Verkehr teilen, aber wir haben es ja nicht eilig.
Nach einer „Jause“ und einem Tankstopp kurz vor der Grenze sind wir dennoch zeitig kurz vor Mulhous, sodass sich ein kurzer Besuch des Cité de l‘Automobil/Collection Schlumpf, dem größten Automuseum der Welt, einschieben lässt. Unter anderem ist dort die größte Ansammlung von Bugattis mit 87 Stück. Wir schlendern so lange bis die Füße wehtun durch die Sammlung und sind beide der Meinung, dass sich der Zwischenstopp auf jeden Fall gelohnt hat.
Nach dem Besuch des Museums ist es nur noch ein kurzes Stück zu unserem vorgebuchten Hotel in Clerval. Kurz duschen und es ist Zeit für das Abendessen. Danach noch ein kurzer Verdauungsspaziergang am Fluss und den Rest des Abends verbringen wir damit, die Unterkunft und Route für den nächsten Tag zu suchen.
16.06. – Clerval – Treignac – Quer durch Frankreich
Wie gestern ist der Plan zuerst per Autobahn Strecke zu machen und danach noch ein bisschen Spaß mit Kurven in der Auvergne zu haben. Nachdem wir bei Chalon von der Autobahn auf eine Nationalstraße wechseln und 12 Euro Maut für 160 km zahlen, steht fest: ab jetzt möglichst wenig mautpflichtige Autobahn in Frankreich. Zumal man auf den National- und Départementsstraßen fast genauso schnell ist, wenn nur die vielen Kreisverkehre spätestens nach einem Kilometer nicht wären. Allerdings sind diese fast alle zweispurig, also optimal zum Überholen, da die meisten Franzosen auch beim Geradeausfahren die linke Spur meiden.
Zur Mittagszeit findet sich weit und breit keine Bar, Imbiss oder Restaurant, aber massenhaft Rastplätze an denen Franzosen picknicken. Da das hier wohl so üblich ist, versorgen wir uns in einem Supermarkt mit dem Nötigsten und machen es ihnen nach. Bei Volvic – wo das Mineralwasser abgefüllt wird – geht es ins nördliche Zentralmassiv. Mit Beginn des Naturparks Millevaches en Limousin werden die Straßen einsam und sehr kurvig. Bis zum Hotel begegnen uns nur zwei Traktoren. Die Unterkunft am Vézère-See ist einfach aber freundlich. Der Besitzer – begeistert von der Elise – trägt ein Spa-Francourchamps-Poloshirt und hat ein altes BMW-Motorrad im Speisesaal stehen. Zum Abendessen geht es an die Strandbar gegenüber dem Campingplatz – einfach aber gut und bei dem warmen Wetter gerade richtig. Danach planen wir auf der Terrasse des Hotels bei einer kühlen Brise die Route und der Besitzer zeigt uns stolz eine Fledermaus, die seit drei Jahren in seinem Sonnenschirm wohnt.
17.06. – Treignac – Mimizan-Plage – Les Grands Vins
Weil wir Saint-Emilion und Bordeaux besichtigen wollen, führt die Route zeitoptimiert über teils relativ langweilige Straßen. Im Tal des Flusses Dore ist es zumindest landschaftlich reizvoll.
Saint-Emilion, die Wiege edler Merlot-Weine, ist ein nettes Städtchen, das komplett von Touristen aus aller Welt überlaufen ist. Außerdem sind die Temperaturen inzwischen nicht mehr angenehm sommerlich, sondern unerträglich heiß.
In Bordeaux darf die Liesl in eine kühle Tiefgarage und wir beschränken das Sightseeing auf ein Minimum und setzen uns lieber in ein schattiges Straßencafé mit Wassernebelkühlung.
In Mimizan-Plage am Hotel angekommen, gehen wir nach dem Einchecken an den Strand, an dem es auch eine einladende Strandbar gibt.
Helga frägt, ob sie Spritz haben – leider nein. Während wir unsere Drinks genießen, liest der Barkeeper irgendwas am Handy und gibt der Besitzerin kurz darauf ein oranges Getränk zum Probieren. Nach einem vorzüglichen Abendessen im Hotel gehen wir für den Sonnenuntergang nochmal an die Strandbar. Auf der Karte steht jetzt Spritz und die halbe Bar trink das orange Zeug. Eigentlich müssten unsere Drinks als Provision jetzt kostenlos sein.
Der Sonnenuntergang an der Atlantikküste ist immer wieder ein beeindruckendes Spektakel.
18.06. – Mimizan-Plage – Hendaye – Westküste
Ich stehe eine Stunde früher auf und gehe am Stand joggen. Nach dem Frühstück fahren wir über eine einsame Straße durch den Wald. Vermutlich ist sie deshalb so einsam, weil sie für Autos gesperrt ist, aber so gut ist mein Französisch nicht, dass ich das verwitterte Schild entziffern kann. Das Navi hat in der Gegend Probleme die Autobahn zu umfahren und schickt uns des Öfteren auf gesperrte Straßen oder unpassierbare Feldwege.
Bayonne besichtigen wir am Vormittag und weil Sonntag ist, ist außer in der Markthalle tote Hose.
Das ändert sich, als wir bei Biarritz wieder an die Küste kommen und bis Hendaye an der spanischen Grenze im Stop-and-Go-Verkehr fahren. Unglaublich wie viel Menschen dort den Sonntag am Strand verbringen. Zum Glück hat unser Hotel einen eigenen Parkplatz. Dafür ist es aber zu weit vom Stadtzentrum entfernt, um bei der Hitze dorthin zu laufen. Hoffentlich wird es ab morgen in der Bergen kühler.
19.06. – Hendaye – Gurmençon – Endlich in die Pyrenäen
Endlich geht es in die lang ersehnten Pyrenäen. Das erste Stück ist relativ enttäuschend. Die Landschaft sieht aus wie zu Hause in Oberbayern – nur dass es hier 10 Grad heißer ist – und obwohl das Wochenende vorbei ist, sind massenhaft Autos unterwegs. Das ändert sich erst am Col de la Saint-Ignac, wo eine historische Zahnradbahn losfährt, die offensichtlich das Ziel der vielen Autos vor mir war, die jetzt auf den Parkplatz abbiegen. Ab St-Jean-Pied-de-Port beginnt die Anfahrt zum 1145 m hohen Col d’Elhusaro. Die Landschaft ist überwiegend baumlos und es weht eine extrem steife Brise, sodass sich sogar die Pferde gegen den Wind stemmen müssen. Leider ist die romantische Straße sehr schmal und nicht im besten Zustand.
Nach Larrau passieren wir auf dem Puerto de Larau zum ersten Mal die spanische Grenze, ohne dass wir es merken. Das wird uns erst im nächsten Dorf bewusst, als wir im Dorfladen eine Brotzeit kaufen wollen und die Verkäuferin nur spanisch spricht; Französisch kann oder will sie nur 15 km hinter der Grenze nicht verstehen.
Nach einem Tankstopp fahren wir wieder nach nördlich nach Frankreich. Zum Collado de la Piedra da San Martin und Col de Soudet sind es landschaftlich und fahrerisch schöne Strecken, aber viel zu kurz. Außerdem sind die spanischen Straßen zwar in Top-Zustand, aber vor jeder Kurve mit mehr als 60° ist ein individuelles Tempolimit, das von 20 bis 40 km/h reicht. Dem Fahrstil der Einheimischen nach zu urteilen, ist die Gefahr, dass kontrolliert wird, aber relativ gering.
Am Collado de la Piedra da San Martin sehen wir seit Tagen zum ersten Mal wieder eine kleine Wolke. Bei der Hitze ist aber absehbar, dass das bald mehr werden und uns die Pyrenäen mit ihren berüchtigten Nachmittagsgewittern überraschen.
Weil unser Hotel noch Mittagspause hat, fahren wir nach Oloron Sainte-Marie um kühle Getränke zu kaufen, als ein Apothekenthermometer 42 °C anzeigt. Wir wollen das Städtchen eigentlich noch ein bisschen anschauen, müssen aber bald einsehen, dass es einfach zu heiß ist und dösen den Rest des Nachmittags im Hotel im Schatten und freuen uns auf die Nacht in unserem Dachzimmer ohne Klimaanlage.
Eigentlich wollten wir als nächstes nach Torla in Spanien zum Wandern, aber der Wetterbericht prophezeit für die nächsten zwei Tage Regen und Unwetter in der Gegend, sodass wir die Schleife nach Süden abkürzen und das nächste Hotel in Barèges am Fuß des Tourmalet buchen.
20.06. – Gurmençon – Barèges – Bahnhof, Kurven, Regen und ein Umweg
Gleich in der Früh steht mit dem Col de Somport einer der berühmtesten Pässe der Pyrenäen auf dem Programm. Aber ich habe bei der Routenplanung geschlampt und wir fahren durch den Tunnel, der unter dem Pass durch führt. Den Somport können wir natürlich nicht auslassen und so fahren wir den Pass halt in beide Richtungen.
Anschließend halten wir in Canfranc-Estacion und schauen den Bahnhof an. Der wurde in den 1920ern als Umsteigebahnhof zwischen Frankreich und Spanien gebaut, wo man wegen unterschiedlicher Spurbreiten die Züge wechseln musste. Nachdem Frankreich die Strecke 1970 einstellte, wirkt der verlassene und fast 250 m lange Bau heute völlig deplatziert. Ein Versuch, das Gebäude zu sanieren und als Hotel weiter zu nutzen, scheiterte 2007. Scheinbar waren die Mittel schon nach dem Dach aufgebraucht.
Laut Motorradonline ist der Col du Pourtalet der beste Pass der Pyrenäen – Platz eins. Meiner Meinung nach: nein. Höchstens Platz drei. Außerdem habe ich das Gefühl, dass wir ihn in der falschen Richtung fahren und er nord-süd spannender wäre. Zudem ist kurz vor der Passhöhe eine heftige Querrinne – ganz schlecht zu sehen bei erlaubten 90 km/h. Das Fahrwerk macht einen Wahnsinns-Schlag, Helga schreit vor Schreck und ich habe den Innenspiegel im Schoß liegen. Den Spiegelfuß hat es einfach von der Scheibe gerissen. Zum Glück haben die Felgen nichts abbekommen. Jetzt Glück im Unglück: Beim Scheibentausch vor ein paar Jahren hat der Monteur Mist gebaut und den Spiegelfuß zuerst an der Rechtslenkerposition angeklebt und danach erst einen Zweiten an der richtigen Stelle. Jetzt kann ich den falschen Spiegelfuß wenigstens als Notlösung verwenden.
Für das Mittagessen finden wir in Les Eaux Chaudes eine nette Bar mit Terrasse. Der Col d’Aubisque ist eine schöne Strecke, aber teilweise zu schmal und es sind sehr viele Radfahrer unterwegs; circa zehnmal so viele wie Autos. Trotz schwarzer Wolken und kurzer Schauer fahren wir nach britischer Manier ohne Dach weiter.
An der Passhöhe des Col du Soulor riecht es förmlich nach Unwetter und wir machen doch lieber das Verdeck drauf; keine Sekunde zu früh bevor der Starkregen losbricht. Die Strecke nach Arglez-Gazost ist gesperrt und so müssen wir über Asson und Lourdes fahren – 50 km und eine Stunde Umweg. Zum Glück zieht der Regen entgegen unserer Fahrtrichtung nach Süden, wird schnell leichter und hört bald ganz auf, aber die Straßen bleiben feucht.
Zuerst die Hitze und der daraus resultierende schlechte Schlaf die letzten Tage und jetzt der weite Weg bei feuchter Straße. Ordentlich geschlaucht erreichen wir Barèges am Fuß des Tourmalet, wo es so kühl ist, dass man sogar ein langes Hemd vertragen kann.
Nach dem Abendessen ist wieder mal Hotelsuche und Routenplanung angesagt. Weil wir kein vernünftiges Hotel in der gewünschten Region finden, beschließen wir morgen bis Andorra durchzufahren, wo es massig Hotels gibt.
21.06. – Barèges – Arinsal – Leergefahren
Obwohl es endlich mal wieder eine angenehm kühle Temperatur im Hotelzimmer hat, ist nichts mit Ausschlafen, weil wir frühmorgens von Gegröle geweckt werden. Holländische Frauen feuern genau unter unserem Fenster Ihre rennradfahrenden Männer an, die Richtung Tourmalet fahren. Als wir dann über eine Stunde später zum Tourmalet fahren, sind rund 50 Radler und Läufer plus Angehörige als Zuschauer des selben holländischen Clubs gerade im Anstieg und nehmen die Straße ganz selbstverständlich vollkommen in Beschlag, als ob sie gesperrt wäre. Im Spießrutenlauf geht es also hoch bis zu Passhöhe. Die Parkplätze sind natürlich auch alle voll, sodass wir etwas wandern müssen, um doch noch ein Foto des Riesen zu bekommen.
Über den Col d’Aspin und Col de Preyresóurde fahren wir nach Saint-Bertrand-de-Comminges. Laut unserem Reiseführer neben Lourdes die wichtigste Sehenswürdigkeit der Pyrenäen. Die Temperaturen sind trotz des Regens gestern wieder unerträglich, vor allem weil jetzt zu der Hitze auch noch tropische Feuchte dazukommt.
Ab dem Coll del Portilión zieht es wieder zu. Wir wollen bei der schwülen Luft möglichst lange Fahrtwind haben und fahren sogar als es tröpfelt ohne Dach weiter. In Baqueira öffnet der Himmel aber alle Schleusen. Zum Glück finden wir ein geschlossenes Hotel unter dessen Vordach wir uns retten um das Verdeck zu montieren. Sehr ärgerlich, dass es gerade jetzt regnet. Der Port de la Banaigua und Coll del Cento währen wahrscheinlich die besten Pässe der Pyrenäen gewesen. Aber im strömenden Regen muss ich mich sogar von SUV überholen lassen. (Falls jemand mal in Gegend kommt: beide Pässe sollten wahrscheinlich besser von Osten nach Westen gefahren werden, vor allem der Banaigua.)
In Andorra müssen wir noch durch den dichten Stadtverkehr und suchen Ewigkeiten nach unserem Hotel.
Jetzt rächt sich die viel zu lange Etappe des heutigen Tages bei tropischer Hitze und konzentriert fahren im Regen. Im Hotelzimmer falle ich völlig erschöpft aufs Bett und merke dass alle Energiespeicher leer sind. Das soll Urlaub sein? So geht es nicht weiter. Ein Ruhetag muss dringend her. Morgen fahren wir nur bis Puigcerda. Da gibt es ein ansprechendes Hotel und Wandermöglichkeiten in der Nähe.
22.06. – Arinsal – Puigcerda – Andorra von oben
Die Straße von Ordino nach Canillo in Andorra ist wie gemacht für die Elise. Leider ist das erste Stück gerade mit Rollsplitt überzogen. Helga entdeckt kurz vor Canillo eine Aussichtsplattform ein paar hundert Meter über uns. Bei so einer Straße braucht es nicht viel Überredungskunst, dass ich umdrehe und die Serpentinen zur Passhöhe des Montaup nochmal hochfahre. Es ist nur eine kurze Wanderung zum Mirador Roc de Quer, wo ein Balkon mit Glasplatten in 400 m über dem Grund ins Freie geht. Von dort hat man eine traumhafte Aussicht auf das Haupt-Tal Andorras, durch das sich der Fluss Orient schlängelt.
In Pas de la Casa kurz vor der spanischen Grenze sind riesige Einkaufszentren, in denen Franzosen und Spanier vom steuerfreien Einkauf profitieren. Die Menschenmassen, keine freien Parkplätze und die Tatsache, dass wir im Auto schlicht keinen freien Platz mehr haben, halten uns von einem Einkaufsbummel ab.
Bereits vormittags sind wir in Puigcerda am Hotel, das die beiden oberen Stockwerke des kleinen Regional-Bahnhofs belegt und sehr liebevoll renoviert und eingerichtet ist.
Wir fahren mit dem Aufzug in die höher gelegene Altstadt zum Mittagessen, Faulenzen und Stadtbummeln. Wieder stellen wir erstaunt fest, dass nur 500 m von der französischen Grenze entfernt niemand mehr Französisch kann (oder können will?). Nicht dass jetzt vom meinem Schulfranzösisch so wahnsinnig viel hängen geblieben wäre, aber zum Essen bestellen und Einkaufen reicht es, wohingegen Spanisch auf der Festplatte komplett fehlt. Zum Glück kommt man aber hier mit Englisch weiter.
23.06. – Puigcerda – Wandertag
Wie geplant, ist heute Wandertag und das Wetter spielt mit. Wir fahren nur das kurze Stück nach Meranges, weiter Richtung Refugi Malniu und parken kurz bevor die Straße unbefestigt wird. Von dort wandern wir 200 Höhenmeter Luftlinie über einen markierten, aber fast nicht erkennbaren Weg zum Refugi Malniu, einer Berghütte, die an einem See liegt. Nach weiteren 200 Höhenmetern erreichen wir den Estany de Malinu, einen malerisch gelegenen Bergsee.
Weg zum Refugi Malniu
Nach einer Mittagspause im Refugi geht es knieschonend über den längeren, aber weniger steilen Fahrweg zurück zum Auto.
Am Nachmittag wurde eine kleine Bühne direkt vor unserem Hotel aufgebaut. Als wir spät abends vom Essen zurückkommen hat dort eine Band gespielt und hört gerade auf. Was wir nicht wissen, das war nur der Soundcheck. Um 23 Uhr geht die Party erst los und die Band spielt mit einer unglaublichen Lautstärke. Es ist San Juan- Johannistag und Sommersonnenwende. Die Musik geht bis 3 Uhr morgens. Böller und Kracher werden die ganze Nacht durch abgefeuert.
24.06. – Puigcerda – Sant Pere Pescador – Mittelalter und Surrealismus
Wir lassen den nordöstlichen Teil der französischen Pyrenäen bewusst aus und fahren Richtung Mittelmeerküste, in der Hoffnung auf eine kühle Meeresbrise. Auf dem Weg halten wir für eine Mittagspause in Besalú, das eine hübsche mittelalterliche Altstadt hat.
Danach steht noch Figures mit dem Dali-Museum auf dem Programm. Das besonderes am Teatre-Museu ist, dass Dali es bereits zu Lebzeiten in seiner Heimatstadt eingerichtet hat und sogar darin begraben liegt. Viele Kunstwerke hat der Meister extra dafür angefertigt. Schmelzenden Uhren, Frauen mit Schubladen und Krücken, langbeinige Elefanten und brennende Giraffen aus seiner berühmten surrealistischen Periode, wie man sie mit Dali assoziiert, findet man darin aber nur am Rande oder als Anspielung.
Am Hotel angekommen, legen wir uns an den Pool und versuchen etwas Schlaf nachzuholen. Um die rund 1000 Meter bis zum Strand zu laufen, reicht die Energie nicht mehr.
25.06. – Sant Pere Pescador – Sète – Müde und knatschig
Obwohl ein erholsamer Schlaf mal wieder dringend notwendig wäre, verhindern Hitze und ein paar Jugendliche, die sich im Kalender geirrt haben und wieder die ganze Nacht durch Böller abfeuern, eine Tiefschlafphase. Die Erholung in Puigcerda war nach zwei schlaflosen Nächten für die Katz.
Am Cap de Creus ist es bewölkt und tröpfelt sogar kurz. Das sorgt zwar für angenehmere Temperaturen, verhindert aber schöne Fotos. Der Versuch Cadaqués zu besichtigen, scheitert daran, dass ich keinen freien Parkplatz finde und die Fahrt durch das Labyrinth aus engsten Gässchen kostet den letzten Nerv. Die Strecke nach El Port de la Selva wäre ein Traum, wenn nicht so viele Autos unterwegs wären und jedes zweite davon mit kaputtem Dieselmotor unglaubliche Rußwolken ausstoßen würde.
In Portbou, einer ehemals bedeutenden Grenzstadt, besichtigen wir das Walter-Benjamin-Denkmal.
Ab Anglès-Sur-Mer führt die Straße meist wenig attraktiv an Feriendörfern, großen Hotelanlagen oder Parkplätzen hinter Dünen ohne Blick auf Meer an der Küste entlang.
Narbonne und Béziers zu besichtigen verpeilen wir irgendwie. Zeit wäre genug. Aber völlig übermüdet habe ich zu wenig Zeit am Vortag in die Routenplanung gesteckt und das Hirn denkt nur noch „Hotel – schlafen!“.
26.06. – Sète – Orange – Panta rhei
Von Sète fahren wir schnurstracks über Alleen nach Nordwesten Richtung Tarn-Schlucht. Hinter Plaissan ist die Straße gesperrt und ich merke viel zu spät, dass die Umleitung uns in die entgegengesetzte Richtung schickt. Auf der kurvigen Abfahrt nach Millau kann man die höchste Autobahnbrücke der Welt sehen.
Hinter Millau fahren wir in das Tarn-Tal das sich immer mehr zu einer Schlucht verengt. Eines muss man den Franzosen neidlos lassen: Straßen in Schluchten bauen können sie. Einsetzender Regen zwingt uns das Verdeck zu montieren und obwohl es bald wieder aufhört, lassen wir es wegen der dunklen Wolken lieber drauf. Schade, gerade in einer Schlucht vermissen wir den freien Blick nach oben.
In Sainte-Enemie halten wir für eine Mittagspause.
Bis Alès sind die Straßen schön kurvig. Danach geht es noch 70 km unspektakulär nach Orange, wo wir die Nacht verbringen. Bereits am späten Nachmittag wurde eine Bühne für ein Jazz-Festival aufgebaut. Ich dachte mir noch: “Mutig, so ganz ohne Regenschutz.” Während des Abendessens gibt es einen kurzen Schauer und wir können zuschauen, wie die Instrumente und Technik hektisch ins Trockene gebracht werden. Bis wir mit dem Essen fertig sind, gibt es keine Aktivitäten die Bühne wieder aufzubauen. Schade, wird wohl nichts aus dem kostenlosen Open-Air-Konzert.
27.06. – Orange – Grasse – Mondlandschaft und Parfüm
Der Hauptgrund, dass wir Orange für die Übernachtung ausgewählt haben, war einen günstigen Ausgangsort für die Fahrt auf den Mont Ventoux – den Gigant der Provence – zu haben. Der Plan geht auf. Bei perfektem Wetter und zur richtigen Uhrzeit kommen wir am Gipfel an.
Bei der Abfahrt springt plötzlich eine Schafherde von Links über die Straße. Kein Problem für mich, ich habe sie früh gesehen und war auch nicht schnell unterwegs. Aber ein bergauf fahrender Radfahrer wird um ein Haar über den Haufen gerannt.
Danach geht es durch die Provence mit Postkartenkulisse. In Lourmarin wollen wir Mittagessen. Unglaublich welche Touristenmassen hier unterwegs sind und welche Preise die Restaurants aufrufen, sodass wir mit einem Pannini aus einem schön gelegenen Imbiss mit Blick auf das Schloss vorlieb nehmen.
Ab Draguigan wird die Strecke schön kurvig, aber wir geraten in einen Stau wegen eines schweren Unfalls. Als die Polizei die Strecke wieder frei gibt, ist natürlich viel Verkehr vor uns bis Grasse.
In Grasse sind wir spät dran. Bis wir von unserer höher gelegenen Unterkunft in der Altstadt sind, schließen die Sehenswürdigkeiten bereits. Zum Glück haben die zahlreichen Parfümläden länger geöffnet. Erstaunlich, wie schnell die Nase mit den vielen Gerüchen überfordert ist, wenn man das nicht gewohnt ist.
28.06. – Grasse – Sainte-Maxime – Was sollen wir hier oben?
Nach dem Frühstück beim Einladen des Gepäcks großes Entsetzen. Die arme Liesl hat einen Parkrempler abbekommen! Mehrere Schrammen gehen über das Heck auf Höhe einer Motorradfußstütze oder eines Fahrradpedals.
Am Vormittag holen wir den Besuch der Kathedrale und des Parfümeriemuseums nach.
Weil wir den Vormittag in Grasse verbracht haben, ist es nach nur 20 km schon Zeit für die Mittagspause. Während wir essen gibt es einen Wolkenbruch, der so heftig ist, dass ich in den 20 Metern vom Restaurant bis zum Auto komplett durchnässt werde. Die kurvige Strecke von Montauroux bis Bagnols-en-Forêt geht es anfangs im Regen, später auf nassen Straßen „mit angezogener Handbremse“.
Durch einen Routentipp von Korbi fahren wir zum Ferienressort auf das Cap Esterel, um festzustellen, dass man von dort oben gar keine Aussicht hat. Etwas verwirrt stellen wir uns die Frage: “Was sollen wir hier oben?”
Die Küstenstraße nach Sainte-Maxime war bestimmt mal wunderschön, bevor man so viele Häuser gebaut hat, dass man nichts mehr von der Küste sieht.
Zum Abendessen gehen wir in eine noble Strandbar, wo eine Dorade auf der Tageskarte 120 Euro kostet. Zwar gibt es auch etwas günstigere Speisen, aber dreistellig wird die Rechnung trotzdem. Sainte-Tropez, das Luftlinie nur 8 km entfernt ist, lässt grüßen.
29.06. – Sainte-Maxime – Dolceaqua – Les Corniches
Der Grund, dass wir von Grasse nochmal süd-westlich gefahren sind, war, dass Helga unbedingt die Corniches der Côte d’Azur fahren wollte. Für sie als Beifahrerin sicher eine tolle Sache. Ich muss mich zu sehr auf den relativ dichten Verkehr und chaotische Rollerfahrer konzentrieren und sitze zu tief, um während der Fahrt viel zu sehen. Bei den Stopps sieht man allerdings, warum diese Küste weltberühmt ist.
Cannes umfahren wir großräumig. Bei Nizza geraten wir durch eine verpasste Ausfahrt weiter in den Stadtverkehr, als uns lieb ist. Nach Nizza nehmen wir die berühmte Route de la Grande Corniche.
In La Turbie geht es nach Norden durch Elise-Terrain: einsame superkurvige Straßen.
Am Col de Turini machen wir eine kurze Pause im Hôtel Les Trois Vallées, das Motorsport-Flair versprüht.
Kurz hinter Menton führt die Straße an der französisch-italienischen Grenze direkt am Ufer entlang. Es geht ein kräftiger Wind und die Wellen sind so hoch, dass sie ab und zu über die Mauer schlagen. Ich habe Panik, dass meine arme Liesl gleich eine Salzwasserdusche abbekommt, aber zum Glück passieren wir die Grenze trocken und danach ist die Straße nicht mehr so nah am Meer.
Über Nacht sind wir ein einer rustikalen Unterkunft mit viel Ambiente in Dolceaqua. Die Vermieterin ist aus München, wie sich herausstellt.
30.06. – Dolceaqua – Castelbianco – Strade Bianche
Einem Routenvorschlag von Korbi folgend, fahren wir heute überwiegend “Strade Bianche” (weiße Straßen), wie man die Nebenstraßen in Italien nennt. Zwar sind sie alle asphaltiert und sehr kurvenreich, aber teilweise in grenzwertigem Zustand und schmal, was bei der Verkehrsdichte allerdings nicht so stört. Lediglich der permanent suchende Blick “Kommt mir einer entgegen oder sind da Schlaglöcher?” im Licht- und Schattenspiel der Bäume ist auf Dauer anstrengend.
Zur Mittagszeit halten wir in Pieve di Teco. Die von Arakaden gesäumte Hauptstraße versetzt einen zurück ins Mittelalter.
Am frühen Nachmittag sind wir schon in Castelbianco. Zeit für ein bisschen Bewegung zum Ausgleich. Die Gemeinde hat ein paar Wanderwege angelegt, die genau vor unserer Unterkunft beginnen. Wir laufen den rosafarben markierten Weg, der durch Obstwiesen zum Nachbardorf nach Veravo und zurück führt. Die Bäume und Sträucher quellen über vor saftigen Früchten.
Für das Abendessen müssen wir nochmal rund zwei Kilometer und 130 Höhenmeter ins Tal zur Hauptstraße nach Colletta laufen.
01.07. – Castelbianco – Lavis – Heimfahrt Teil 1
Morgens wartet eine unerwartete Überraschung. Die Sp 52 zwischen Castelvecchio di Rocca Barbena und Bardineto ist „der Hammer“. Danach haben wir keine Lust direkt zur Autobahn zu fahren und machen noch einen Umweg über SP 15. Spätestens ab San Guiseppe di Cairo ist der Spaß vorbei mit Schnellstraße und ab Alessandria Autobahn. Die Poebene haben wir schon öfters auf der Landstraße durchfahren und so viel besser als Autobahn ist das auch nicht. Am Gardasee reicht es mir mit Autobahnfahren, vor allem wegen des Innenspiegels an der falschen Position, der dafür sorgt, dass der tote Winkel riesig ist, was jeden Spurwechsel auf die linke Spur extrem unangenehm macht. Wir fahren also weiter über die Landstraße, die allerdings wegen der vielen Tempolimit ab Rovereto auch alles andere als Fahrspaß ist, vor allem wenn man weiß, was für Straßen da links und rechts im Hinterland wären. Aber weil wir morgen zu Hause sein müssen, ist dafür jetzt keine Zeit.
02.07. – Lavis – München – Heimfahrt Teil 2
Der Wetterbericht sagt ab dem Brenner viel Regen vorher. Weil die Reifen einen Großteil des Profils über Frankreich, Spanien und Italien verteilt haben, gehe ich auf Nummer sicher, fahre über die Autobahn direkt zum Brenner und verzichte auf attraktivere Umwege. Pünktlich am Brenner setzt der Regen ein, bis Garmisch zum Glück aber nur sporadisch und leicht. Erst in Bayern duscht es stellenweise heftig, sodass wir froh sind zeitig und heil wieder zu Hause zu sein.
Statistik:
Gesamtstrecke: 5300 km
Höhenmeter: 76000 m
Durchschnittsverbrauch: 6,1 Liter pro 100 km
Pannen/Technische Probleme: 0 (wenn man den Spiegel nicht mitzählt)